Myanmar - aus dem Fahrrad-Alltagstrott geholt

In 75 Minuten fast 1000km (Bangkok bis Yangon). Sabine und René verschliefen den Flug, während Tobias und ich aus dem Fenster starrten. Wir hatten uns an das Langsamreisen gewöhnt und jetzt standen wir am Flughafen in Myanmar, mit einem Schlag in einer neuen Kultur. Die Taxifahrer erwarteten uns Betelnüsse-kauend und spuckten im Minutentakt den blutrotgefärbten Speichel auf die Stasse. Alle mit dem Longyi um die Hüfte (traditioneller Einheits-'Rock' für Frauen und Männer), manche hatten die Gesichter mit der weisser Tanaka-crème eingestrichen um sich vor der Sonne zu schützen, versuchten sie uns in ihr Taxi zu locken. Einer liess speziell gut mit sich handeln, also stiegen wir ein in den lottrigsten und rostigsten Karren weit und breit. In Pyay, einem kleinen Städtchen 5 Busstunden nördlich von Yangon (was nicht heisst, dass wir weit gefahren sind...), konnten wir uns richtig gut an das neue Land gewöhnen. Während Sabine beim Anblick des 'Hotelzimmers' die Stirn runzelte, lachte sich René beinahe kaputt. Es dauerte aber nur wenige Tage, bis die beiden im Bergdorf Namshan auf dem Rückweg vom Restaurant zum Gästehaus am Abend im vollen Ernst meinten, sie freuen sich riesig auf's Bett und das Zimmer. Es war doch fast identisch wie unsere 'Gefängniszelle' mit den harten Britschen in Pyay. Dazwischen lagen aber noch ein paar komfortlosere Übernachtungen.
Dem Tourist wirds 'einfach' gemacht in diesem Land, das viele Fragen offen lässt. Die Qual der Wahl wird durch viele unzugängliche Gebiete, durch lizenzierte Gasthäuser und Hotels, von denen es allgemein zu wenige gibt, gesenkt. So bleibt dem ausländischen Besucher häufig keine andere Wahl, als für die übriggebliebenen freien, gammligen Zimmer einen Preis zu zahlen, der verhältnismässig masslos zu hoch ist. Und wo gehen die vielen Touristendollar hin? Wir erfahren es nicht, vermuten aber dem Interesse der Angestellten oder Besitzer zur Folge, nicht in die richtige Tasche. Ohne Zelt im Gepäck und mit den wenigen Alternativen fühlten wir uns manchmal etwas um unsere Freiheit beraubt.
Alles dreht sich um den Buddhismus in diesem Land. In Bagan radelten wir mit alten Leihrädern in der Landschaft von Pagoden umher und fühlten uns wie in einem Traum. Im ganzen Land schmückt eine goldene Pagode fast jeden Hügel, mindestens so häufig wie der Muezzin in der Türkei ist hier der Mönch mit seinem Gebetsgesang zu hören. Lange Kolonnen von Mönchen oder Nonnen gehen barfuss durch die Strassen und sammeln Almosen. Doch lange nicht jeder Mönch erfüllt das romantische Bild vom meditierenden, mittellosen Buddisten mit freiem Geist. Ein alter Mönch möchte uns gleich taschenweise von den grosszügigen Gaben, die er gesammelt hat, weiterverschenken. Coca Cola, Bananen, Kekse usw.: "I have a very big stock" meinte er und kramte hinter seiner Schlafmatte herum. Andere fahren mit dem Mopet, einem Betel im Mund oder einer Zigarette in der Hand, durch die Gegend und nehmen es nicht so ernst mit der Bescheidenheit. bild

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Wenn schon die ganze Bevölkerung vom Betel ein entstelltes, rotschwarzgefärbtes, aber doch unvergleichbar herzliches Lachen hat, muss die Wirkung des Betels ja sehr toll sein. Also: Tobias vor und ein paar Tage später wagen es auch wir und spüren nebst dem aufgerauten Zahnfleisch gar nichts.
Wir wollten den Schienen, auf denen man als Tourist durchs Land geführt zu werden scheint, etwas entkommen und fuhren in ein kleines, hübsches Städtchen PinOoLynn. Dort gab uns der Besitzer eines Cafés den wertvollen Tipp für ein 3tägiges Trekking von Hsipaw nach Namshan. Mit einer bescheidenen Karte, die wir uns von den zusammemgefragten Infos machten, gings los mit den neuen Kappen im Gepäck. Die Temperaturen wurden kalt in der Nacht und wir übernachteten privat oder im Kloster sozusagen draussen. Durch die Hügellandschaft zu wandern, unter dem Wasserfall duschen, vorbei an den abgeschiedenen Teakhausdörfern, alle autofrei und in Homestays zu übernachten, war für uns perfekt! bild
bild In einem 30 Stunden Trip gings an den langen, einsamen Palmenstrand, wo wir uns für ein paar Tage auf die faule Haut legten. Das Fahrradfahren war schon in weite Ferne gerückt, doch die Spuren sind noch sichtbar. "Look at the zebra!" rief eine Touristin und zeigte mit dem Finger auf mich. Vielen Dank - gemeint waren die Velohosenabdrücke, die einfach nicht ausbleichen wollen. Entgegen den Behauptungen wurden die Männer rasch wieder kribblig und so gabs zwischen den Stunden im Liegestuhl, dem Kokosnusssschlürfen und dem Abendbierchen immer wieder ein bisschen Wettkampf: vom crowlen, joggen und schnorcheln übers Liegestützen-machen und tschüttelen bis hin zum Mühle-spielen. Da hatte jeder seine Stärken, Schwächen und Gebrechen (meist René).
Für die letzte Woche haben wir uns einige Ziele im Süden rausgepickt. Unterdessen hatten wir schon jede erdenkliche Art von Transport gebraucht: komfortable eisgekühlten Aircon-Busse mit lauter Karaoke-Musik; unkomfortable, vollgestopfte Busse wo wir von lauten Myanmar-Filmdramen beschallt wurden; "Hardtail"-Pickup-trucks mit Holzbänken; Züge, deren Wagen auf den holprigen Geleise bedrohlich gegeneinander wippten und man seekrank werden kann; Boote mit alten Autositzen bestuhlt; Fahrradtaxis (Trishaws), Motorräder und Pferdekutschen. Eines Morgens an der Busstation auf den schönen Bus mit reservierten Plätzen wartend, hiess es eine Brücke sei kapputt und wir müssen auf einen Pickup steigen. Tobias Bubentraum wurde wahr, denn der Pickup war so überfüllt, dass wir es uns auf dem Dach zwischen dem Gepäck bequem machten. Die Fahrt dauerte lange, kilometerweise staute sich der Verkehr. Wir beobachteten das Gewusel von oben, brieten in der Sonne und fuhren im Schrittempo auf die ominöse Brücke zu. Deren Zustand werden wir aus Rücksicht auf den Schlaf unserer Mütter nicht näher beschreiben. Nur soviel: wir sind drübergefahren mit angehaltenem Atem. Gleichentags machten wir noch einen Ausflug zum Golden-Rock. Die Fahrt hin und zurück zur Pilgerstätte war vergleichbar mit einer Achterbahn. Während Sabine und ich uns gegenseitig in die Oberschenkel kniffen, begannen Renés Augen angesichts des hohen Tempos zu leuchten. Eine Risikoanalyse von diesem Tag wollten wir dann nicht machen. Nur soviel: Sie wäre schlecht ausgefallen.
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Die Sattelpause hat uns zweifellos sehr gut getan! Die einseitig trainierten Muskeln haben sich erholt. Energiereserven für den letzten Abschnitt sind zur Genüge aufgefuttert. Die Zeit zu viert ist so schnell vergangen und war für uns das Highlight schlechthin.
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